Folgen für die Landwirtschaft
Die Landwirtschaft: Verursacher und Betroffene
Die Bauern in Deutschland konnten im Herbst 2017 ihre Saat teilweise nur unter großen Schwierigkeiten auf den Acker bringen. Anhaltender, oft unwetterartiger Regen ließ die Landwirte verzweifeln. Es war stellenweise unmöglich, die Felder mit Landmaschinen zu befahren, weil der Ackerboden völlig aufgeweicht war. Der Sommer 2018 entpuppte sich dann als nicht enden wollende Hitzewelle, in der alles verdorrte, was zum Teil alternativ und in jedem Falle unter großen Mühen angebaut worden war. Die Landwirte verzweifelten schon wieder. Es kam zu erheblichen Ernteausfällen. Teilweise konnte gar nicht geerntet werden, und der Acker wurde mit allem, was darauf war, direkt wieder umgebrochen. Das Wetter zeigte sich einmal mehr in seinem Charakter als eigentlich unberechenbare Größe. Heißt das, immer häufiger? Ist das der Klimawandel? Sind das die Folgen des Klimawandels, auf die sich die Landwirtschaft unweigerlich einstellen muss?
Es würde zu kurz greifen, das alles pauschal mit „ja“ zu beantworten, auch wenn diese Fragen täglich in den Medien gestellt und täglich auch Antworten darauf geliefert wurden. Allerdings solche und solche. Wir sehen, hier ist Diskussionsbedarf. Aber nicht nur der, sondern es bedarf auch einer genauen Analyse, einer Einordnung in die zeitliche Entwicklung, also Datenerhebung, statistischer Verdichtung, Trendanalyse und dann Prognose für die zukünftige Entwicklung – vom Wetter zum Klima. Dennoch ist – und war auch schon vor der Erntesaison 2017/2018 – klar: das Klima ändert sich!
Die Landwirtschaft ist unmittelbar Betroffene des sich zunehmend abzeichnenden Klimawandels. Sie muss sich dieser Veränderung anpassen, bei allen Unwägbarkeiten. Der Mensch ist, wie schon so häufig, in seiner Anpassungsfähigkeit an den Lebensraum und die Lebensbedingungen gefordert. Das wäre auch bei einem „natürlichen“ Klimawandel so, erst recht bei einem, den der Mensch selber verursacht oder verstärkt.
Gleichzeitig befindet sich die Landwirtschaft aber auch in der Rolle des Verursachers und trägt eine Mitverantwortung an dem sich vollziehenden Klimawandel. Die Landwirtschaft ist ein Klimafaktor! Auch dies steht längst mahnend auf Papier, wenn man zum Beispiel in den Weltagrarbericht „Agriculture at a Crossroads“ aus dem Jahr 2008 des von der Weltbank eingesetzten Weltagrarrats (IAASTD) schaut.1 Das geht auch aus den Nationalen Inventarberichten (NIR) des Umweltbundesamtes zum Deutschen Treibhausgasinventar in Bezug auf Deutschland hervor (siehe zuletzt Climate Change 24/2022 für 1990–2020).2
Im Zusammenhang mit der (immer wieder eingeforderten) landwirtschaftlichen Produktionssteigerung zur Ernährungssicherung und Ernährungssouveränität wird bei den Treibhausgasen eine Erhöhung der Emission um teilweise bis zu 60 % erwartet, und heute schon stammen weltweit 10–12 % der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft (siehe zum Beispiel die Zusammenfassung zum Fünften Sachstandsbericht des IPCC von 2014).3
Klimaschädliche Gase aus der Landwirtschaft sind insbesondere Methan (CH4) aus der Tierhaltung und dem Ausbringen von Wirtschaftsdünger (Gülle und Mist) sowie Distickstoffmonoxid (N2O), das als Folge der organischen wie auch mineralischen Stickstoffdüngung aus landwirtschaftlich genutzten Böden ausgast. 2016 stammten rund 59 % des gesamten ausgestoßenen Methans und 80 % des Distickstoffmonoxids in Deutschland aus der Landwirtschaft. Insgesamt war diese damit für einen Treibhauseffekt verantwortlich, der dem Treibhauspotential von 65,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2-Äquivalent) entspricht (siehe die Vorschau des Umweltbundesamtes auf den Nationalen Inventarbericht 2018 mit den Zahlen zum Jahr 2016).4
Auch mit Blick auf Maßnahmen zum Klimaschutz verursacht die Landwirtschaft somit anhaltende Umweltprobleme. Dies umso mehr, da sich ein deutlicher Rückgang der Emissionen zwar von 1990 nach 1991/1992 vollzog, also unmittelbar nach der deutschen Wiedervereinigung – aufgrund des rasanten Abbaus der Tierbestände, sich seitdem aber auf diesem reduzierten Niveau eingependelt hat und im Wesentlichen stagniert.
Neben dem direkten Einfluss auf das Klima sind noch die indirekten, etwa durch Landnutzungsänderung verursachten Einträge anzuführen. Hier geht es um die Umwandlung von Wald-, Grünland- und Moorflächen in Ackerland. Der dadurch bedingte Verlust an Speichermöglichkeiten für Kohlenstoff (Kohlenstoffsenken) wirkt sich negativ auf die Klimabilanz aus.
Im genannten Fünften Sachstandsbericht des IPCC von 2014 wird im Umkehrschluss hervorgehoben, dass die Minderung von Emissionen bei der Landnutzungsänderung wie in der Bodenbewirtschaftung und in der Viehhaltung überhaupt ein gehöriges Potential in Sachen Klimaschutz in sich berge. Entsprechend setzt man darauf, Wege zu finden, mehr Treibhausgas im Boden und in Biomasse zu binden. Die Frage ist, wie langanhaltend, also nachhaltig dies gelingen können wird.
Der IPCC weist ebenso darauf hin, dass man der bereits erwähnten Ernährungssicherung für eine wachsende Weltbevölkerung im Zusammenhang mit dem Klimaschutz Rechnung tragen muss. Während sich der Klimawandel insgesamt, d. h. global, negativ auf die landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen auswirkt, gibt es einige Regionen in der Welt, die davon profitieren werden. Neben der Frage nach Ursachen und Wirkungen des Klimawandels sind Politik und Gesellschaft, Produzenten und Verbraucher gefordert, angemessen mit den Veränderungen umzugehen, um insgesamt eine nachhaltige Entwicklung zu sichern. (Siehe auch unsere Sonderseite zum IPCC.)
Hilfestellung dazu muss auch aus der Forschung kommen. Im Kontext „Landwirtschaft und Klimawandel“ ebenso wie „Klimawandel und Landwirtschaft“ kommt der Agrarforschung eine wesentliche Bedeutung zu. Wenn die traditionelle Landwirtschaft mit den langfristig steigenden Temperaturen und geringer werdenden Niederschlägen sowie der Zunahme an kurzfristigen Extremwetterereignissen ge- oder sogar überfordert ist, muss die Forschung Lösungen finden, indem sie neue Agrarsysteme entwickelt. Diese können aber nicht die fortgesetzte „Optimierung“ des Bestehenden legitimieren und dabei in Kauf nehmen, dass sie den Klimawandel weiter „anheizen“, sondern müssen in Innovationen gefunden werden.
Ziel ist letztlich, in der Landwirtschaft sowohl Anpassungsstrategien an den Klimawandel zu entwickeln als auch Maßnahmen zum Klimaschutz umzusetzen. Beides erfordert eine intensive politische und gesellschaftliche Diskussion um zukünftige Nutzungsstandorte und Produktionsmethoden, die einerseits Ernährungssicherung gewährleistet, anderseits aber auch Ernährungsgewohnheiten und Konsumverhalten, also die Ernährungssouveränität tangiert. Jenseits aller konkreter Maßnahmen in unseren Planungshorizonten muss das Fernziel sein, die Landwirtschaft so zu gestalten, dass sie unter dem Strich „klimaneutral“ sein wird.
Die Bundesregierung will die Treibhausgasemissionen in Deutschland insgesamt bis 2030 um 55 % gegenüber dem Niveau von 1990 senken und so als Industrienation einen wesentlichen Beitrag leisten, die vereinbarten internationalen Klimaschutzziele zu erreichen und damit die Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels zu begrenzen. Neben den anderen zentralen Sektoren wie Energie, Industrie, Verkehr ist dies auch Aufgabe der Landwirtschaft.
Das BMEL fördert unter dem Titel „Klimaschutz in der Landwirtschaft und Anpassung der Agrarproduktion an die Folgen der Erderwärmung“ Forschungsprojekte aus den Bereichen Boden, Pflanzenbau und Tierhaltung, die einen Beitrag zur Erreichung der Ziele des auf der 21. UN-Klimakonferenz (COP21) getroffenen Übereinkommen von Paris und des nationalen Klimaschutzplan 2050 leisten.
Die Projekte im Rahmen dieses vom Deutschen Bundestag beschlossenen Programms zur Innovationsförderung dienen der Umsetzung dieser Ziele. Sie sind Teil dieser Lösungsstrategie und werden entsprechende Handlungsempfehlungen in den politischen Entscheidungsprozess einbringen.







- International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development (IAASTD) (Eds.): “Agriculture at a Crossroads” Global Report. Washington, D.C.: IAASTD, 2009 – ISBN 1-59726-538-1 / Stephan Albrecht & Albert Engel (Hrsg.): IAASTD Weltagrarbericht. Synthesebericht. Hamburg University Press, 2009 – ISBN 3-937816-68-2[↩]
- Umweltbundesamt (Hrsg.): Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und dem Kyoto-Protokoll 2022. Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar 1990–2020. (Climate Change 24/2022 – ISSN 1862-4359)[↩]
- Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) (Eds.): Climate Change 2014. Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Genf: IPCC, 2015 – ISBN 92-9169-143-7 / Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle (Hrsg.): Klimaänderung 2014. Synthesebericht. Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger. Bonn: DLR Projektträger Umwelt und Nachhaltigkeit, 2015[↩]
- Beitrag der Landwirtschaft zu den Treibhausgas-Emissionen. Veröffentlichung des Umweltbundesamtes vom 30-Jul-2018[↩]